Jubiläumsfeier
“30 Jahre Kreisverband Esslingen der Banater Schwaben”
(Treffpunkt Stadtmitte Wendlingen, 28. Juni 2015)
Fresch und Krotta kenna hubsa – 30 Jahre und kein bisschen müde
Was haben der Temeswarer Schubertchor, die Banater Teck Musikanten und ein kaputtes Bügeleisen gemeinsam? Sie alle sind Hauptdarsteller beim 30-jährigen Jubiläum des Kreisverbandes Esslingen der Landsmannschaft der Banater Schwaben.
„Es sollte alles perfekt sein“, erzählte Renate Krispin, Leiterin der Esslinger Trachtentanzgruppe. Das hieß, 17 Mädchenblusen und Trachtenröcke mussten gewaschen und gebügelt werden. „Ich musste nur noch 5 Blusen bügeln und dann die große Katastrophe. Das Bügeleisen gab seinen Geist auf. Nichts ging mehr und das nachts um elf.“, ergänzte Renate. Der Kreisverband Esslingen würde aber nicht schon so lange bestehen, wenn die Mitglieder solch kleine Katastrophen aus der Ruhe bringen würden. Hier hält man zusammen. Einer weiß immer eine Lösung.
Am nächsten Tag waren die nächtlichen Sorgen aber schon wieder vergessen und alle freuten sich auf die Feier. Denn der Kreisverband hatte anlässlich des 30-jährigen Bestehens alle Mitglieder und viele Ehrengäste am 28. Juni 2015 in die Stadthalle Wendlingen zum „Nachmittagskaffee“ eingeladen. Und mehr als 250 Gäste folgten der Einladung und füllten den schön dekorierten Saal. Außer einem reichhaltigen Büffet selbstgebackener Torten und Kuchen, Kaffee und Getränken gab es natürlich auch ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm. Solch ein Jubiläum musste schließlich entsprechend gefeiert werden.
Die Banater Teck Musikanten, machten den Anfang und stimmten die Gäste bereits zu Beginn mit der Polka „Lasst euch grüßen“ auf den Nachmittag ein. Die Kapelle wurde 2009 gegründet und besteht aus Musikern aus der alten banater Heimat. Heute leben sie größtenteils im Großraum Stuttgart und treffen sich regelmäßig, um gemeinsam Musik zu machen. Unter der Leitung von Erich Seibert haben sie sich im Laufe der Jahre ein vielseitiges Repertoire angeeignet, das sie den Gästen im Laufe des Nachmittags mit großer Freude präsentierten.
Ein weiterer Programm- und Höhepunkt war der Auftritt des Temeswarer Schubert Chors. Er zeigte, dass das Banat noch viel mehr zu bieten hatte und hat als zünftige Blasmusik. Einst im Banat 1969 zur Wiederbelebung der Gesangstradition gegründet, wurde der Chor durch die Aussiedlung vieler Mitglieder und des Chorleisters 1988 in Temeswar aufgelöst. Ab 1985 kam es aber hier in Deutschland zur Neugründung des Chores unter der Leitung von Adrian Nuca-Bartzer, der die ausgesiedelten Sängerinnen und Sänger wieder zusammenführte. Zum Repertoire des Ensembles gehörten damals wie heute nicht nur anspruchsvolle Chorwerke von Schubert, Brahms, Mozart und Mendelssohn-Bartholdy, sondern auch Stücke Banater Komponisten und alte Banater Volkslieder. Geprobt wird an Chorwochenenden, denn die Mitglieder des Chores leben heute verstreut in der gesamten Bundesrepublik und nicht nur dort. Für den Auftritt beim 30-jährigen Jubiläum des Kreisverbandes Esslingen reisten Mitglieder des Chores sogar aus Belgien an. Ein Höhepunkt war das Solo von Walter Berberich, der viele der anwesenden Gäste mit seinem Gesang und seiner Interpretation von „Am Meer“ des Komponisten Franz Schubert zu Tränen rührte. Besonders amüsiert war das Publikum über die Zugabe des Chores, denn als die Sängerinnen und Sänger im Volkslied „Wahre Liebe“ den Text „Fresch und Krotta kenne hubsa, awer aldi Weiwer net“ vortrugen, freuten sich alle im Saal und sangen teils lautstark mit.
Aber was wäre das Jubiläum des Kreisverbandes ohne den Auftritt seiner Trachtentanzgruppe, die ein wichtiger Bestandteil des Vereins ist. Gegründet wurde auch sie vor fast 30 Jahren, genauer gesagt 1988. Seit 1990 ist sie in Wendlingen am Neckar ansässig und aktiv. Wie der Verein, so ist auch die Tanzgruppe in stetem Wandel. Tänzerinnen und Tänzer kommen und gehen, Tanzleiter wechseln. Heute besteht die Gruppe aus insgesamt 50 aktiven Tänzerinnen und Tänzern, aufgeteilt in Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppe. Apropos, schien der Auftritt der Kindergruppe wegen eines kaputten Bügeleisens kurz mal in Gefahr, so sprach am Festtag keiner mehr von der Katastrophe am Vorabend. Die Trachten waren eine schmucker als die andere, die Kinder strahlten und warteten ganz aufgeregt auf ihren Auftritt. Selbst ein technischer Defekt – das falsche Lied wurde eingespielt – konnte die Kinder nicht in ihrer Begeisterung stoppen. Sie fingen einfach an zu tanzen, was das Publikum mit tosendem Applaus und Bravo-Rufen honorierte. Nachdem die Technik wieder funktionierte zeigte die Kindergruppe die Tänze „Durch die Tore“, „Fröhlicher Kreis“ und die „Kitty Polka“. Die Choreografie der „Kittypolka“ stammt übrigens aus der Feder zweier Banaterinnen – Elwine Muth und Dagmar Österreicher aus Karlsruhe.
Doch die Kinder können nicht nur tanzen. Ganz begeistert war das Publikum vor allem von einer jungen Dame, Marie-Kristin Kobsa. In schönstem Schwowisch trug sie dort das Gedicht „Die Schwalbe“ vor – und das obwohl sie keine Banater Wurzeln hat.
Aber nicht nur die Kinder- sondern auch die Jugendgruppe zeigte, was sie kann und tanzte den „Nagelschmied“ und „Veilchenblaue Augen“. Der „Nagelschmied“ gehört zum festen Repertoire der Siebenbürger Sachsen und die Jugendlichen lieben ihn. Der zweite Tanz „Veilchenblaue Augen“, eine Polka choreografiert von der Tanzgruppe aus Singen, gehört inzwischen zum festen gemeinsamen Repertoire der Trachtengruppen des DBJT. Zum Schluss tanzten die Jugendlichen gemeinsam mit der Erwachsenengruppe die Polka „Susi heb dich“ und den „Kathiländler“. Die Erwachsenengruppe besteht in dieser Form übrigens erst seit Anfang diesen Jahres und wird geleitet von Helga Schutz.
Eine Besonderheit war auch die neue Tracht, die die Jugendlichen und Frauen der Tanzgruppe an diesem Festtag trugen. Denn sie hatten nicht, wie man vermuten könnte, die Festtagstracht an, sondern eine neue „Sundachstracht“, also Sonntagstracht. Der Umstand, dass die Festtagstracht zwar wunderschön, aber gerade bei mehrstündigen Veranstaltungen für die Frauen eine echte Knochenarbeit ist, denn sitzen kann man darin bekanntlich leider nicht, führte dazu, dass sich die Tanzgruppe entschloss, neue Trachten zu nähen. Sie sollten, praktisch, bequem, fröhlich sein und ganz wichtig, man sollte darin sitzen können. Das Ergebnis konnte und kann sich sehen lassen, obwohl es die Frauen sehr viel Zeit und Mühe gekostet hatte, diese zu nähen.
30 Jahre Kreisverband bieten auch die Gelegenheit, langjährige Mitglieder für ihre Treue zur Landsmannschaft zu würdigen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an alle Geehrten für die Unterstützung in all den Jahren, ohne sie und die Hilfe vieler Anderer wäre der Verein nicht das, was er heute ist.
Natürlich gehören zu solch einem Festtag auch Reden. Nachdem der Vorsitzende des Kreisverbandes Esslingen Herbert Volk die Gäste, besonders natürlich die Ehrengäste, u.a. den Bundesvorsitzenden Peter-Dietmar Leber, den Landesvorsitzenden Josef Prunkl, den Bürgermeister der Stadt Wendlingen Steffen Weigel, die zahlreich vertretenen Damen und Herren Vorsitzenden der landsmannschaftlichen Gliederungen und befreundeten Verbände und Vereine, sowie alle Jubilare begrüßt hatte, gab er den Anwesenden einen kurzen Einblick in die Aufgaben und Aktivitäten des Kreisverbandes, sowohl die der Vergangenheit aber vor allem und gerade die der Gegenwart und Zukunft.
Steffen Weigel, Bürgermeister der Stadt Wendlingen, überbrachte dann in seiner Festrede Grußworte der Stadt und betonte besonders die gute und erfolgreiche Integration des Kreisverbandes, nicht nur in Wendlingen sondern auch in der Zusammenarbeit mit anderen in der Stadt ansässigen Vereinen, Landsmannschaften, sowie Heimat – und Trachtenverbänden. Er freue sich sehr über solch einen aktiven Verein in seiner Stadt.
Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber hielt eine Grundsatzrede zu den Aufgaben der Landsmannschaft in der heutigen Zeit und gab einen Überblick über die politische Situation der Aussiedler aus dem Banat früher und heute. Er betonte, dass das 30-jährige Jubiläum des Kreisverbandes Esslingen, einerseits ein Anlass sei, bei dem man noch leicht zurückschauen könne, bei dem sich bei vielen noch so ein „weißt Du noch damals-Gefühl“ einstellen könne, zumal so manche aus der Anfangszeit des Kreisverbandes auch heute noch dabei seien. Andererseits lohne es sich auch nach vorne zu schauen, zu überlegen und zu prüfen, in welche Richtung sich der Verein entwickeln werde, entwickeln könnte und sollte. Besonders vorbildhaft befand Leber die gelungene Integration des Kreisverbandes. Der Weg der Trachtengruppe sei so beispielhaft gegangen worden, dass die Brauchtumsfeste, die Kinder- und Jugendtrachtengruppen, die Volkstanzgruppen auch für Schulfreunde, Nachbarn und Mitmenschen ohne Banater Wurzeln attraktiv geworden seien. „Nicht mehr die Herkunft der jungen Leute sondern das Interesse für diese Gemeinschaft und deren Brauchtum steht im Mittelpunkt und führt sie zusammen. Das Erbe ist – geographisch und gesellschaftlich – vom Rand in den Mittelpunkt gerückt“, betonte Leber.
(Die Rede unseres Bundesvorsitzenden können Sie >>>hier Rede-BV-Leber-30-Jahre-KV-ES-2015 als PDF-Datei herunterladen.)
Zum Schluss der Jubliäumsfeier dankte Herbert Volk allen Mitwirkenden und Helfern für die gelungene Veranstaltung und den Gästen für ihr zahlreiches Kommen. Für die Zukunft wünschte sich der Kreisvorsitzende „dass dieser Nachmittag viele Menschen motiviert hat, die Arbeit des Kreisverbandes auch in Zukunft zu unterstützen und Teil dieser großen aktiven Gemeinschaft zu werden.“
Ines Szuck
Photos zu unserer Feier finden Sie >>> hier.
Zu diesem Anlass hat der Kreisverband auch eine Festschrift erstellt. Die Redakteurin der Festschrift war Ines Szuck.